12.04.2025

Verstehen schafft den Boden für Lösungen

Ein Beitrag von Jürg Kraft, Mediator und systemischer Coach

Immer wieder erlebe ich in meiner Arbeit als Mediator: Bevor Menschen wieder konstruktiv miteinander sprechen können, müssen sie sagen dürfen, was sie verletzt hat. Erst wenn Emotionen Raum bekommen, wird Verständigung möglich. Damit öffnet sich der Weg zu echten Lösungen.

Wenn ich als Dritter in einen Konflikt hineinkomme, sind oft bereits viele Versuche gescheitert, die Situation „zu klären“. Die Beteiligten haben sich verletzt, fühlen sich übergangen oder ungerecht behandelt. In solchen Momenten geht es nicht zuerst um Kompromisse – es geht ums Zuhören.

In der Anfangsphase einer Mediation schaffe ich einen geschützten Rahmen, in dem all das zur Sprache kommen darf, was bisher unausgesprochen geblieben ist. Das Ziel ist nicht, recht zu behalten, sondern sich verständlich zu machen. Gefühle sind dabei keine Störung. Im Gegenteil: Gefühle sind wie Wissen – sie vermehren sich, wenn sie geteilt werden.

Diese erste Phase braucht Zeit und eine achtsame Moderation. Sie ermöglicht, dass Menschen einander wieder als Gegenüber wahrnehmen. Wer sich gesehen und gehört fühlt, kann eigene Bedürfnisse ausdrücken – und beginnt, die des anderen zu verstehen.

Erst dann wird die Suche nach Lösungen möglich. Und nicht nur das: Lösungen, die auf echtem Verstehen beruhen, sind meist tragfähiger. Denn sie wurzeln in der Erfahrung: Ich wurde gehört. Ich bin nicht allein mit meinem Anliegen.